Der Verein MARTINUS-AKTION ALDENHOVEN e.V. blickt auf eine Vorgeschichte zurück, die bis in die Mitte der 70er Jahre reicht. Damals begann in Aldenhoven bei den für das Martinsfest Verantwortlichen ein Prozess neuen Nachdenkens und Handelns.
Wir fragten: Wie können wir das schöne, aber im Laufe der Jahre verflachte Brauchtum wieder richtig be-gründen, wie die Wurzeln der guten Tradition neu freilegen? Die Suche nach einer nicht immer konfliktlosen und widerspruchsfreien Lösung griff auf jenes Ereignis zurück, das sich um 350 vor dem Stadttor von Amiens zugetragen haben soll: Der römische Offizier Martinus teilt seinen Reiterumhang mit dem Schwert, um eine Hälfte einem frierenden Bettler zu schenken.
Wie können wir – fragten wir weiter – lernen, von unserem „Mantel“ selbst ein Stück abzuschneiden und wegzugeben? Wie schaffen wir es, die Liebestat des Heiligen ins Hier und Jetzt zu übertragen, die Idee des Teilens in die Tat umzusetzen?
Der Anstoß ging aus von den Weckmännern
Sie gehören traditionell zum Martinstag. Früher erhielten in Aldenhoven Kleinkinder, Schülerinnen und Schüler solche Stutenkerle, deren Kauf durch eine Haussammlung ermöglicht wurde. Könnten wir durch den Verzicht auf diese Gabe und durch veränderte Formen des Umgangs mit dem alten „Gebildbrot Weckmann“ Mädchen und Jungen ein wenig – symbolisch – spüren lassen, was Teilen bedeutet, und eine Wende vom Nehmen zum Geben herbeiführen? Die Kinder bejahten damals wie heute die Geste, dass statt der Weckmänner am Martinsfeuer sogenannte Martinsbrötchen gereicht werden, die wir miteinander teilen.
Wie neue Formen der Weckmann-Tradition möglich sind, das soll ein Beispiel deutlich machen: Am Martinstag wird in der Gemeinschaftsgrundschule Aldenhoven ein Weckmannfest gefeiert. Die Kinder versammeln sich in den verdunkelten Klassenzimmern im Kreis, in dessen Mitte ein mit Blumen und Kerzen geschmückter Tisch steht. Darauf liegt ein großer Stutenkerl. Er ist ganz frisch und duftet köstlich. Farbenfroh leuchten die im Unterricht gebastelten Fackeln. Martinslieder erklingen, die Kinder lauschen einer Geschichte. Und dann wird der große Weckmann geteilt; jeder bekommt ein Stück.
Unsere durch die Weckmänner ausgelösten Fragen fanden drei Antworten, die bis heute noch gelten:
Erstens: Der Verzicht auf den Weckmann sollte eine Symbolgeste sein. Die Kleinen in den Kindergärten wie auch die Mädchen und Jungen in den Schulen unseres Ortes verstanden und verstehen dieses Zeichen.
Zweitens: Wir wollten unsere kleine, egoistische Welt aufbrechen und unseren Blick weiten auf die Eine Welt, die Not von Menschen wahrnehmen und versuchen, Abhilfe zu schaffen, damit Selbsthilfe möglich wird.
Drittens: Die nach „draußen“ gerichtete Solidarität sollte auch nach „drinnen“ wirken, sollte die Kleinen und Großen in Aldenhoven zusammenführen, Räume gemeinsamen Handelns öffnen und das geschwisterliche Miteinander zwischen Katholiken und Protestanten und Muslimen vertiefen. Im Laufe der Jahrzehnte ist das Martinsfest in Aldenhoven zu einer neuen Tradition gewachsen, die getragen wird von der katholischen und evangelischen Gemeinde, von Kindergärten und Schulen, von der Moschee-Gemeinde und von Vereinen, Gruppen und Einzelpersonen. Jedes Jahr werden viele Menschen in Aldenhoven zu einer großen diakonischen Aktion zusammengeführt.
Vorbereitung, Durchführung und Abschluss der Aktion lehrt die, die mitmachen, zu teilen – nicht nur Geld zu spenden, sondern auch Freizeit, Phantasie, Organisationstalent, Energie, Durchhaltewillen, Überzeugungskraft und Frustrationstoleranz aufzubringen.
Die neue Tradition ist durch zwei Handlungsbereiche gekennzeichnet.
- Zum einen wollen wir St. Martin als ein frohes Fest erleben, bei dem Kinder und Erwachsene sich am Lichterglanz der Fackelzüge, am Beisammensein um das große Martinsfeuer, am Spiel von der Mantelteilung und am munteren Geschehen auf dem Martinusmarkt erfreuen.
- Zum anderen wollen wir Jahr für Jahr eine Aktion starten und uns einem anderen Land in der „Dritten Welt“ zuwenden, es in den Mittelpunkt von Projektarbeiten in Kindergärten und Schulen stellen und durch vielfältige Aktivitäten Geld zusammenbringen, das für ein realistisches und sinnvolles Entwicklungsvorhaben gespendet wird.